Auswirkungen der Geoblocking-Verordnung auf den Rechnungskauf

 

So bieten Sie den Kauf auf Rechnung richtlinienkonform an

 

Mit dem Inkrafttreten der Geoblocking-Verordnung (EU) 2018/302 im Dezember letzten Jahres ist die Diskriminierung eines Internet-Nutzers aufgrund seines Aufenthaltsortes, Wohnsitzes oder seiner Staatsangehörigkeit innerhalb der EU untersagt. Bekommt so zum Beispiel ein französischer Kunde in einem deutschen Onlineshop andere Preise angezeigt als der Kunde mit einer deutschen IP-Adresse, so ist das ein Verstoß gegen die neue Richtlinie. Verstöße gegen die Bestimmungen der Geoblocking-Verordnung gelten nach § 149 Abs. 1c) des deutschen Telekommunikationsgesetzes als Ordnungswidrigkeit. Wer in Deutschland gegen die Verordnung verstößt, riskiert Geldbußen von bis zu € 300.000 (§ 149 Abs. 2 S.1 Nr. 2 TKG).

Um derartige Bußgelder und Abmahnungen möchte man als Shop-Betreiber natürlich einen weiten Bogen machen. Die Gesetzestexte richtig zu interpretieren und den eigenen Shop entsprechend richtlinienkonform anzupassen, ist jedoch oftmals leichter gesagt als getan. Wir klären daher im Folgenden rund um das Thema Geoblocking-Verordnung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kauf auf Rechnung, auf. Was steht in der Verordnung genau drin? Inwiefern betrifft diese die in einem Online-Shop angebotenen Zahlungsmodalitäten? Und wie sollte man sich als Shop-Betreiber am besten verhalten? Mit juristischer Unterstützung von Dr. Ronald Kandelhard von easyRechtssicher.de und Dipl.-Jur. Benjamin Schmidt von der IT-Recht Kanzlei DURY beantworten wir die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.

 

Geoblocking Verordnung Rechnungskauf

Was genau ist Geoblocking?

Geoblocking ist eine Technik, bei welcher der Zugriff auf regionale Internetseiten basierend auf dem physischen Standort des Nutzers eingeschränkt oder inhaltlich variiert wird. Typischerweise geschieht das anhand der IP-Adresse eines Kunden.

Hierzu ein kurzes Praxisbeispiel:

Eine bislang gängige Praxis für Shop-Betreiber war es Kunden automatisch zur landesspezifischen Shop-Seite umzuleiten. Gab so ein deutscher Kunde die spanische Domain eines Shops ins Suchfeld ein, so landete er aufgrund seiner deutschen IP- Adresse automatisch auf der deutschen Shop-Seite. Mit dem Inkrafttreten der Geoblocking-Verordnung erfordert diese Weiterleitung nun die ausdrückliche Zustimmung des Kunden und auch danach muss ein Wechsel zu der ursprünglich angestrebten Domain jederzeit leicht möglich sein. Was die Verordnung nicht verbietet ist das bloße Nebeneinanderbestehen verschiedener landesspezifischer Shops mit unterschiedlicher Angebotsausgestaltung. Kunden müssen lediglich europaweit zu jeder landesspezifischen Seite uneingeschränkten Zugang haben und dementsprechend alle Angebote einer nationalen Seite wie ein lokal ansässiger Kunde nutzen können (sog. „Shop like a local“-Prinzip).

 

Wie wirkt sich die Geoblocking-Verordnung auf die Zahlungsmodalitäten aus?

Doch nicht nur automatische Weiterleitungen verstoßen gegen die neue Richtlinie. Artikel 5 der Verordnung (EU) 2018/302 befasst sich mit der Diskriminierung aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Zahlung stehen.

Artikel 5

Nichtdiskriminierung aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Zahlung stehen

  1. Einem Anbieter ist es untersagt, im Rahmen der von ihm akzeptierten Zahlungsmethoden aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden, des Standorts des Zahlungskontos, des Ortes der Niederlassung des Zahlungsdienstleisters oder des Ausstellungsorts des Zahlungsinstruments innerhalb der Union unterschiedliche Bedingungen für einen Zahlungsvorgang anzuwenden, sofern:
    a) der Zahlungsvorgang über eine elektronische Transaktion durch Überweisung, Lastschrift oder ein kartengebundenes Zahlungsinstrument innerhalb derselben Zahlungsmarke und Zahlungskategorie erfolgt;
    b) die Authentifizierungsanforderungen gemäß der Richtlinie (EU) 2015/2366 erfüllt sind, und
    c) die Zahlungsvorgänge in einer Währung erfolgen, die der Anbieter akzeptiert.
  2. Soweit durch objektive Gründe gerechtfertigt, ist es dem Anbieter durch das Verbot nach Absatz 1 nicht untersagt, die Waren oder die Dienstleistung zurückzuhalten, bis er eine Bestätigung erhalten hat, dass der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß eingeleitet wurde. […]

 

Handelt es sich um eine elektronische Transaktion, so ist die herkunftsbezogene Diskriminierungen also auch im Zusammenhang mit Zahlungsmodalitäten verboten. Zwar kann ein Händler grundsätzlich frei darüber entscheiden, welche Zahlungsmittel er anbietet. Anschließend muss er aber sicherstellen, dass diese prinzipiell für alle Kunden innerhalb der EU gleichermaßen zur Verfügung stehen.

Hierzu ein kurzes Praxisbeispiel:

Bietet ein deutscher Shop seinen deutschen Kunden an, die Bestellung per Überweisung zu bezahlen, so muss dies im deutschen Shop genauso auch für einen französischen Kunden möglich sein. Wozu die Geoblocking-Verordnung allerdings nicht verpflichtet, ist die Lieferung innerhalb der ganzen EU. Möchte der Shop also grundsätzlich nicht nach Frankreich liefern, so muss er das auch nicht. Dem französischen Kunden muss er allerdings die Möglichkeit geben, bei Angabe einer Lieferadresse in Deutschland, dennoch per Zahlung durch Überweisung an seine Bestellung zu kommen.

Dies ist in der Realität allerdings nicht immer umsetzbar, insbesondere bei Zahlungsarten, die – wie der Kauf auf Rechnung – eine Bonitätsprüfung der Kunden erforderlich machen. Von den über 1.000 der hier gelisteten Shops bietet kein einziger den Rechnungskauf EU-weit an.

 

Betrifft die Geoblocking-Verordnung also auch den Kauf auf Rechnung?

Im Interview mit Rechnungskauf.com sagt Dipl.-Jur. Benjamin Schmidt dazu folgendes:

„Die Geoblocking Verordnung betrifft grundsätzlich auch den Kauf auf Rechnung. In der Regel zahlt der Kunde bei der Zahlart Kauf auf Rechnung nämlich dadurch, dass er die offene Rechnung durch eine elektronische Transaktion, wie z.B. eine Überweisung, nachträglich begleicht. Da Art. 5 Abs. 1 der Geoblocking Verordnung den Zeitpunkt der elektronischen Zahlung nicht eingrenzt, sollten die Regelungen auch beim Kauf auf Rechnung beachtet werden.“

» zum vollständigen Interview

 

 

Müssen Shops, die den Kauf auf Rechnung anbieten, dies folglich nun für alle Kunden innerhalb der EU tun?

Wäre dies der Fall, so wäre die logische Schlussfolgerung, dass sich Shops um den Zugang zu Bonitätsprüfungen aus jedem der 28 EU-Länder bemühen müssten. Für den Shop-Betreiber birgt der Kauf auf Rechnung schließlich ein gewisses Zahlungsausfallrisiko, da die Ware bereits versendet wird, bevor der Kaufbetrag beglichen ist. Dass dieses Ausfallrisiko wohl nicht in allen Ländern der EU ohne Weiteres einzudämmen ist, hat auch die EU-Kommission erkannt und schreibt hierzu in ihren FAQ:

„Ein Kunde befindet sich beispielsweise aufgrund seines Wohnsitzes nicht in solchen Systemen [Anm.: Gemeint ist Bonitätsprüfung]. In diesem Fall kann der Anbieter die Ware zurückbehalten und auf die Bestätigung seiner Bank über die erfolgte Überweisung warten oder im Fall eines Lastschriftverfahrens eine Vorauszahlung mittels einer Überweisung verlangen, bevor die Waren verschickt werden.“

Dipl.-Jur. Benjamin Schmidt interpretiert den Hinweis der EU-Kommission so, dass Händler zwar auch hier den Kauf auf Rechnung grundsätzlich für jedes EU Land anbieten müssen, es sich jedoch bei Ländern ohne Bonitätsauskunft vorbehalten können, die Ware bis zur Zahlung zurück zu halten, die Zahlung auf Rechnung also quasi in eine Zahlung auf Vorkasse umwandeln können.

Doch was ist, wenn es in einem EU-Land zwar Wirtschaftsauskunfteien, die Bonitätsauskünfte für ihre Landesbürger anbieten, gibt, ein Zugang hierzu für Händler aber mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre? Anders gefragt: Kann man erwarten, dass ein Händler sich mit einer Bulgarischen Wirtschaftsauskunftei in Verbindung setzt, da in Deutschland gängige Auskunfteien wie die Schufa, die CRIF oder die Creditreform keine Bonitätsauskünfte für Bulgarische Bürger anbieten? 

Laut der Verordnung darf sich eine unterschiedliche Behandlung von EU-Bürgern nur auf „objektive und hinreichend gerechtfertigte Gründe“ stützen. Die EU-Kommission selbst führt in Erwägungsgrund 33 der Geoblocking-Verordnung „Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit“ als objektiven Grund an. Dipl.-Jur. Benjamin Schmidt geht daher im Hinblick auf den Wortlaut der Erwägungsgründe nicht davon aus, „dass die bloße Existenz von Auskunfteien in anderen EU-Ländern das Merkmal der „objektiv und hinreichend gerechtfertigten“ Gründe entfallen lässt.“ Auch Dr. jur. Ronald Kandelhard hält unverhältnismäßigen Aufwand bei der Überprüfung der Kreditwürdigkeit der Kunden für einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund. Beide Juristen betonen jedoch, dass wirkliche Rechtssicherheit hier erst künftige Gerichtsurteile bringen werden.

 

Wie verhält es sich bei Abwicklung des Rechnungskaufs über einen Zahlungsdienstleister?

Auch bei Abwicklung über einen Zahlungsdienstleister haben Händler in der Regel Schwierigkeiten die Zahlungsweise EU-weit bereitzustellen. Denn auch Dienstleister bieten den Rechnungskauf meist nur für Kunden aus einigen, nicht jedoch allen EU-Ländern an. Sollte man dann wenigstens in all diejenigen Länder, für welche der Dienstleister den Service anbietet, auf Rechnung liefern? In der Praxis schließen Shops in der Regel eher individuelle, landesspezifische Verträge mit Dienstleistern. Die EU-Kommission schreibt in Erwägungsgrund 32 der Verordnung, dass ein Anbieter „nicht verpflichtet [ist], die Zahlung zu akzeptieren, wenn er dafür einen neuen oder geänderten Vertrag mit einem Zahlungsauslösedienstleister schließen muss.“ Zwar bezieht sich diese Aussage nicht auf Zahlungsdienstleister im Allgemeinen, sondern auf Zahlungsauslösedienstleister wie z.B. die Sofort GmbH, eine analoge Übertragung könnte aber denkbar sein.

Noch nicht abzusehen ist allerdings, ob die Zahlungsdienstleister überhaupt unter den Begriff „Zahlungsmethode“ fallen, auf welchen sich Artikel 5 der Verordnung bezieht. Die Zahlungsdienstleister selbst haben hierzu noch keine offizielle Stellungnahme veröffentlicht. Drohen Abmahnungen oder Bußgelder also auch für diejenigen Shops, die ausschließlich solch einen Zahlungsdienstleister für die Abwicklung des Rechnungskaufs nutzen? Dr. jur. Ronald Kandelhard hält dies in jedem Fall für möglich. Ausnahmen lassen sich gegebenenfalls analog zum Fall „Schwierigkeiten bei der Bonitätsprüfung“ begründen. Auch Dipl.-Jur. Benjamin Schmidt kann leider nicht ausschließen, dass die Verwendung von Zahlungsdienstleistern in diesem Zusammenhang zu einer Abmahnung führen kann. Vom ausschließlichen Anbieten der Zahlung über einen Dienstleister in einem Onlineshop rät er daher ab: „Neben z.B. Klarna sollte im Hinblick auf die Rechtsprechung zumindest eine „gängige“ Zahlungsart wie z.B. Vorkasse angegeben werden, bei der es nicht erforderlich ist, dass der Kunde Daten an einen Drittanbieter wie z.B. Klarna weitergibt.“

 

Was sollte man als Shop-Betreiber also tun?

Die rechtlich sicherste Variante ist es natürlich die angebotenen Zahlungsarten allen Kunden innerhalb der EU zur Verfügung zu stellen. Abgesehen von Frankreich werden tatsächlich in allen Ländern grundsätzlich Bonitätsauskünfte über Privatpersonen von Wirtschaftsauskunfteien ausgestellt. Besonders große Wirtschaftsauskunfteien, die in mehreren Ländern tätig sind, sind beispielsweise die SCHUFA, Experian, CRIF, Equifax, Creditreform und Creditinfo. Am einfachsten wäre es hierbei sich zum Beispiel an die SCHUFA zu wenden, die Auskünfte über die Kreditwürdigkeit von Bürgern folgender Länder gibt:

  • Belgien
  • Griechenland
  • Irland
  • Italien
  • Litauen
  • Niederlanden
  • Österreich*
  • Polen
  • Schweden
  • Schweiz*
  • Spanien

*automatische Abfrage per Web-App oder Schnittstelle möglich, für alle anderen Länder: manuelle Abfrage per Weboberfläche SCHUFA Web, Mail, Fax oder Telefon.

Möchte man die Abwicklung des Rechnungskauf nicht selbst übernehmen, so kann man auf einen Zahlungsdienstleister zurückgreifen. Die gängigen Zahlungsdienstleister bieten die Abwicklung des Kaufs auf Rechnung für Kunden aus folgenden Ländern an:

Klarna

DE, AT, CH*, DNK*, NOR*, FIN*, SWE*, FRA*, GB*, USA*

BillPay

DE, AT, CH, NL

Heidelpay

DE, AT

Arvato AfterPay

DE, AT, CH, NL, BEL, DNK, NOR, FIN, SWE

Paymorrow

DE, AT, CH

PayPal

DE

Paysafe Pay Later       

DE, AT, CH

RatePay

DE, AT, CH, NL

* Abwicklung über die jeweilige Landesgesellschaft, nicht über Klarna Deutschland

Wie immer beim Inkrafttreten neuer Verordnungen, lässt also auch die Geoblocking-Verordnung reichlich Interpretationsspielraum zu. Sollte also der Ernstfall eintreten und die Geoblocking-Verordnung wird streng ausgelegt, so müssten Shops, die den Kauf auf Rechnung weiterhin profitabel anbieten möchten, folglich die Lieferung auf diejenige Länder beschränken, in denen sie die Bonität der Kunden überprüfen können. Anstatt also in weiteren Ländern zusätzliche Zahlungsmöglichkeiten anzubieten, würden diese nicht mehr beliefert. Die Intention der EU-Kommission, nämlich weniger Diskriminierung aufgrund des Herkunftslandes (u.a. bei der Bezahlung), würde also ins genaue Gegenteil verkehrt werden. Daher scheint eine derart strenge Auslegung der Verordnung doch weniger wahrscheinlich. Für wirkliche Rechtssicherheit werden dann allerdings erst entsprechende Gerichtsurteile bzgl. Geoblocking & Zahlungsmodalitäten sorgen. Es bleibt also weiterhin spannend.